Die erste Halbserie unter Breitenreiter – Das Hinrunden-Fazit

Im Sommer hat André Breitenreiter den Posten des Chef-Trainers beim FC Schalke 04 übernommen. Nachdem nun die erste Halbserie unter ihm gespielt wurde und es in die Vorbereitung auf die zweite geht, ist die Gelegenheit günstig ein Zwischenfazit zu ziehen: Was ist passiert und wo gibt es noch etwas zu tun?  Im Sommer hat André Breitenreiter den Posten des Chef-Trainers beim FC Schalke 04 übernommen. Nachdem nun die erste Halbserie unter ihm gespielt wurde und es in die Vorbereitung auf die zweite geht ist die Gelegenheit günstig ein Zwischenfazit zu ziehen: Was ist passiert und wo gibt es noch etwas zu tun? Das System Breitenreiter Die Saison 2014/2015 endete sportlich so gerade noch glimpflich. Insgesamt passt auf Schalke zum Ende der Rückrunde allerdings nicht viel zueinander. Die Fans wendeten sich ab und die Mannschaft fiel auseinander. Breitenreiter kam und wollte so einiges wieder gut machen. Die Kommunikation änderte sich Grundlegend. Aber er wollte auch die Spielweise so anpassen, dass es die Fans wieder mitreißt. Dafür versprach er viel Pressing und eine hohe Einsatz- und Laufbereitschaft. Und so orientierte er sich zunächst am Standard der Bundesliga. Wie das Gros aller Bundesligisten auch setzte Breitenreiter auf eine stabile Defensive und überfallartige Konter. Auf Ballbesitz wurde wenig Wert gelegt, es ging darum viel Zug zum Tor zu entwickeln ohne die Defensive zu gefährden. Dazu arbeitete er stark am Umschaltmoment, aber auch an Kontern im speziellen. Unter Keller und Di Matteo verkümmerten die Schalker Konterfähigkeiten, bis nur noch der Ruf übrig war. In der laufenden Saison änderte sich das. Laut Statistik hat Schalke in 17 Bundesligaspielen die meisten Kontertore (18) erzielt, vor Leverkusen (17) und Gladbach (15). Vom 4-4-2 zum 4-2-3-1 Dies geschah, ebenfalls wie bei an vielen anderen Mannschaften auch, in einem 4-4-2 mit Fokus auf die Flügel. Angriffe wurden aus dem Zentrum auf den Flügel verlagert, von wo aus der Spieler eine Hereingabe auf einen der beiden Stürmer brachte. Dieses Vorgehen war jedoch zu eindimensional und zu leicht auszurechnen. Breitenreiter musste das Spiel durchs Zentrum stärken. Doch der 10er Raum wurde komplett ignoriert. Und der 8er konnte diesen nicht effektiv besetzen ohne ein Loch ins Zentrum zu reißen. Darum zog er einen der Spieler aus der Doppelspitze immer weiter zurück, bis er einen 10er installierte. Damit war die Evolution zum 4-2-3-1 vollzogen. Jetzt gab es zwar noch immer einen Flügelfokus, noch immer hauptsächlich Flanken, doch es konnte jederzeit die Option durch die Mitte gezogen werden. Der Gegner wurde so stärker beschäftigt, zum Preis von einem Stürmer. Der Ballbesitz Nun verfolgt ein beträchtlicher Teil der Liga ein vergleichbares Konzept. Wenn aber zwei Mannschaften keinen Ballbesitz und nur Kontern wollen, gibt es entweder ein Glücksspiel oder die vorsichtigere, die höher pressende oder die Mannschaft mit der besseren Pressingresistenz hat plötzlich mehr Ballbesitz als die andere. Das ist ein Problem, wenn es dafür eigentlich kein Konzept gibt. Schalke kam so recht häufig zu mehr Ballbesitz als es eigentlich wollte und hatte damit so seine liebe Mühe. Immer wenn Schalke das Spiel machen musste, tauchten Probleme auf, die auch unter Keller und Di Matteo schon omnipräsent waren. Da diese ebenfalls auf Konter setzten, dafür aber nie ein Konzept entwickeln konnten, sondern immer nur auf die Defensive setzten, hat der Schalker Sturm Probleme gegen tiefstehende Mannschaften. Eine solche Defensive zu zerspielen benötigt kreative Ideen und viel Geschwindigkeit. Spieler müssen Läufe initiieren und abgestimmte Bewegungen abspulen. All das in hoher Geschwindigkeit um Löcher beim Gegner zu reißen und diese zu bespielen. Das fehlt Schalke. Immer wieder standen 4-6 Spieler an der Abseitskante und wollten einen Torerfolg erzwingen ohne tatsächlich anspielbar zu sein. Denn dahinter klaffte häufig ein riesiges Loch zum Spielaufbau, bestehend aus Verteidigern und 6er. Nun gab es dieses Problem nicht in allen Spielen. Besonders in der Europa League wurde sowas größtenteils recht gut hinbekommen. Das Offensivverhalten gegen Mannschaften die stark verteidigen bleibt aber ein Thema, an dem Breitenreiter feilen muss. Die Torschüsse Schalke gab in der Bundesliga Hinrunde knapp 15 Torschüsse ab, 32,9% davon gingen tatsächlich auf’s Tor. Bei der Anzahl der Schüsse liegt Schalke im Liga-Vergleich auf Platz 6, bei der Qualität der Abschlüsse aber nur auf Platz 12. Auch wenn realtiv wenige Schüsse außerhalb des Strafraums abgegeben werden (Platz 8), so werden doch zu viele aus aussichtslosen Situationen abgegeben. Schalke der Effekt war, dass Schalke recht viele Torschüsse abgeben musste um ein Tor zu erzielen, nämlich 10,1 – nur 4 Mannschaften brauchten mehr. Das ist das, was bei Schalke in dieser Saison oft mit schlechter Chancenverwertung umschrieben wurde. Zum einen ist die Bundesliga recht gut in der Verteidigung von Flanken und zum anderen waren die Flanken selten wirklich gut. In der Defensive gab es ein ähnlich erschreckendes Spiel. Nur 4 Mannschaften ließen mehr Schüsse auf’s eigene Tor zu. Der starken Endverteidigung war es zu verdanken, dass 12,7 Schüsse für ein Gegentor gebraucht wurden. Drittbester Wert der Liga. Es wurden allerdings viel zu viele Schüsse auf das eigene Tor zugelassen. Im TSR ist das gut ersichtlich. Der TSR (Total Shot Ratio) beschreibt das Verhältnis von abgegeben Torschüssen zu Torschüssen auf das eigene Tor. Ein höherer Wert bedeutet, dass zwar viel abgefeuert wurde, aber nur wenig zugelassen. Schalke hat genausoviele Schüsse auf das eigene Tor zugelassen, wie auf das gegnerische Tor abgegeben wurden. Schalke leidet darunter, dass zu viele Schüsse  zugelassen. Ingolstadt etwa, mit einem ähnlichen TSR, hat dagegen nicht genügend Torschüsse abgegeben. TSR (Total Shot Ratio), Hinrunde Bundesliga 2015/2016 Schalke muss stark daran arbeiten, dass einerseits die Qualität der eigenen Torschüsse zunimmt und gleichzeitig Gegner daran gehindert werden, so häufig auf das Tor zu schießen. Das Pressing Insgesamt ist das Pressing noch nicht so stark, wie Breitenreiter es zu Dienstantritt angekündigt hat. Selten wurde der Gegner früh attackiert und wenn, dann war dies meist relativ leicht zu umspielen, weil nur von einzelne Teile das Pressing ausübten. Die Abstimmung unter den einzelnen Mannschaftsteilen wirkte nicht immer ausgegoren. Ein Thema ist immer das Gegenpressing. Schalke hatte Anzeichen davon, nicht viel mehr. Das hängt natürlich auch mit der Abstimmung der Mannschaftsteile zusammen. Nur wenn diese zusammenarbeiten kann ein Gegenpressing funktionieren. Wenn nicht, dann steht die eigene Defensive komplett entblößt dar. Und das muss natürlich vermieden werden. Die Abstimmung der Mannschaftsteile muss sich verbessern, damit das Pressing stärker werden kann und Schalke ein Gegenpressing implementieren kann. Ein paar Einzelspieler im Detail Persönlich finde ich es schade, nicht mehr von Kaan Ayhan gesehen zu haben. Ich glaube er passt gut in diese Mannschaft und wäre ein großartiger Ersatz für Geis gewesen. Aber Blicken wir auf die Spieler die tatsächlich gespielt haben. Franco Di Santo kam unter großem Bohei ans Berger Feld. Schnell wurde deutlich, dass er eine sehr ähnliche Spielanlage hat wie Klaas-Jan Huntelaar. Letzterer ist als Tormaschine bekannt, der seit einiger Zeit jetzt versucht mitzuspielen. In den letzten Monaten gelang ihm das zum Teil sogar ganz eindrucksvoll. Sogar seine Passerfolgsquoten bewegten sich auffällig häufig über 80%. Bei Di Santo ist das anders. Er hat eine noch schlechtere Passquote (62%) als Fährmann (63,6%), bei Torhütern ist sowas auf Grund von Abschlägen aber entschuldbar. Breitenreiter erwähnte häufig, dass Di Santo dafür sehr Beweglich ist und sich stark in den Dienst der Mannschaft stellt. In der Defensive ist er oft die erste Pressinglinie und setzt den Ballführenden mit aggressivem Anlaufen unter Druck. Allerdings geschahen diese Aktionen selten abgestimmt und der unter Druck gesetzte Spieler konnte sich mit nur einem einfachen Pass leicht befreien. Ähniches ist weiter Hinten bei Pierre-Emile Højbjerg zu beobachten. Beide Spieler kamen erst nach der Vorbereitung dazu und müssen noch besser integriert, die Abstimmung muss besser werden. Mehr zu dem Dänen habe ich im Bericht zum Leverkusen-Spiel beschrieben. Dreh- und Angelpunkt im Spielaufbau war von Anfang an Johannes Geis. Dazu kippte er sehr konsequent zwischen die Innenverteidiger. Er spielt sagenhafte lange Bälle, Freistöße und Ecken. Gegen Mitte der Hinrunde allerdings, griff er zu ausschweifend zu langen Bällen und zu viele davon landeten direkt beim Gegner. Wirkliche Probleme hatte er im Stellungsspiel. Im Spielaufbau stand er oft sehr tief und Schalke verliert die vertikale Kompaktheit, dazu stand er häufig einem der Innenverteidiger auf den Füßen, was die Deckung durch den Gegner stark vereinfachte. In der Defensive sind seine Rausrück- und Verschiebebewegungen oft ein Faktor die Stabilität zu gefährden. Ein Indiz hierfür ist die starke defensive Stabilität in den Spielen, in denen er gesperrt war. Geis ist ein exzellenter Spieler mit vielen Stärken, allerdings muss er sein Stellungsspiel stark verbessern. Max Meyer hatte zu Beginn der Saison einen schweren Stand, da Breitenreiter, wie oben beschrieben, nur über Flügel und Flanken kommen wollte. Erst mit den Aktivitäten das Spielgeschehen selber besser unter Kontrolle halten zu wollen, spielte er eine größere Rolle. Zunächst auf dem Flügel, zeigte er eindrucksvolle Partien links und brachte das Spiel von dort aus in den 10er Raum. Die Evolution zum 4-2-3-1 bescherte ihm dann endlich wieder Auftritte als Waschechter 10er, die er größtenteils nutzen konnte. Gelähmt durch das allgemeine Angriffsproblem, zeigte er immer wieder, dass da viel mehr möglich ist. Und Spieler der Hinrunde ist für mich ganz klar Leon Goretzka. Unglaublich, was der für einen Sprung gemacht hat. Das Rückwärtspressing und einleiten der Angriffe ist spektakulär großartig. “Alles wie unter Keller!“ Zum Schluss noch ein kurzes Statement dazu, dass die Meinungen rumkreisen, Schalke spiele genauso wie unter Keller. Zuletzt waren solche Unkenrufe zu vernehmen. Breitenreiter brachte neuen Wind auf Schalke und das lässt sich auch auf dem Spielfeld sehen. Gruppentaktisches Verhalten ist deutlich erkennbar. Es gibt Spielzüge, die sich wie ein roter Faden durch die ganze Hinrunde zogen. Sowas war unter Keller nie zu erkennen. Das Entscheidende aber ist, dass es eine strukturierte Entwicklung der Mannschaft mit einem Plan dahinter gab. Die Evolution, wie oben beschrieben, war nicht Fremdgetrieben oder Improvisiert, wie fast alles unter Keller. Es wird deutlich, dass Breitenreiter versucht einen Schritt nach dem anderen zu machen. Und es wird mehr Veränderungen geben, so viel steht fest. Fazit Schalke ist seit letzter Saison schon weit gekommen. Aber es gibt auch noch genug zu tun. Es fehlt nach wie vor eine Idee für das Angriffsspiel, von echtem Ballbesitzspiel ganz zu schweigen. Außerdem muss die Qualität der Torschüsse zu- und die Anzahl der gegnerischen Torschüsse abnehmen. Darüber hinaus muss innerhalb der Mannschaft weiterhin an der Abstimmung gearbeitet werden. Nur so kann das Pressing weiter verbessert und ein funktionierendes großangelegtes Gegenpressing eingeführt werden.

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